Biografie Paul von Hindenburg Lebenslauf
Paul Ludwig Hans Anton
von Beneckendorff und von Hindenburg ist als
derjenige Staatsmann in die Weltgeschichte
eingegangen, der Hitler 1933 zum Reichskanzler
ernannt hat. Seine politisch–historische Bedeutung
für die deutsche Geschichte ist darüber hinaus durch
seine exponierte Stellung während des Ersten
Weltkriegs als Feldherr und Quasi-Militärdiktator
sowie durch seine für das Schicksal der
krisengeschüttelten Weimarer Republik erheblichen
zwei Amtszeiten als Reichspräsident gekennzeichnet.
Das Urteil der Zeitgenossen und Nachgeborenen über
die Rolle Hindenburgs schwankt zwischen
„Monarchistischer Totengräber der Republik“ und
„Tragisch an den Umständen scheiternder Retter des
Vaterlandes“.
Hindenburg wird am 2. Oktober 1847 in Posen (im
heutigen Polen) geboren. Die Familie seines Vaters
gehörte zum Dienst- und Landadel West- und
Ostpreußens. Ein Vorfahr der ursprünglich aus
Pommern stammenden Hindenburgs war wegen
militärischer Verdienste vom preußischen König
Friedrich II. mit dem Gut Neudeck in Westpreußen
belohnt worden. Neudeck blieb das Stammgut der sich
bald über West- und Ostpreußen ausbreitenden
Hindenburgs, die sich seit 1789 aus erbrechtlichen
Gründen „von Beneckendorff und von Hindenburg“
nannten.
Großvater von Hindenburg entsprach dem stereotypen
Bild eines ostelbischen Gutsbesitzers, der seinen
landwirtschaftlichen Betrieb mehr oder weniger
nachlässig bewirtschaftete, trotz wirtschaftlicher
Engpässe stets auf das oft kostspielige Prestige
achtete, den gebotenen Abstand zum in der Regel
devoten Volk hielt, und sich dabei den militärischen
Traditionen und der Treue zum preußischen
Königshaus, das ihm seine Privilegien bestätigte,
verpflichtet fühlte. Eher bildungsfern, drehte sich
das Leben dieser sich selbst als „Junkeradel“
verstehenden Schicht vor allem um die Erhaltung
ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Vorteile.
Hindenburgs Vater Robert Hans, der das an Ansehen
reiche und an Einkommen kärgliche Leben eines
Offiziers führte, hatte mit Luise Schwickart eine
Bürgerliche geheiratet, die drei Söhne auf die Welt
brachte. Der kleine Paul besuchte in Posen vier
Jahre lang Bürgerschule und Gymnasium, bis er als
Zehnjähriger als Kadett zum Offizier ausgebildet
wurde. Die Ferien verbrachte Hindenburg regelmäßig
auf dem Familien-Stammgut Neudeck. 1866 als Leutnant
ins Offizierkorps des noblen 3. Garderegiments zu
Fuß aufgenommen, nahm er im selben Jahr am Deutschen
Krieg und 1870/71 am Krieg gegen Frankreich teil.
Hindenburg wurde verwundet, erbeutete fünf Kanonen
und wurde hoch dekoriert. Bei der deutschen
Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Schloss von
Versailles hatte er die Ehre, sein Regiment dort
vertreten zu dürfen.
Es schloss sich eine erfolgreiche und
unspektakuläre, militärische Karriere an. Hindenburg
hob sich positiv vom oft schnarrenden und
leuteschinderischen Gehabe seiner Offizierskamerden
ab. Er vertrat eher den Typus des jovialen, in sich
ruhenden und recht fantasielosen Patriarchen, der
sich für seine „Leute“ einsetzt, allerdings keine
Kritik an Monarchie, Reglement, Kirche und Moral
zuließ. Truppen- und Generalstabsverwendungen lösten
sich ab. 1905 krönte er mit der Ernennung zum
Kommandierenden
General seine militärische
Friedens-Laufbahn, die 1911 mit der Pensionierung
endete.
Hindenburg, der 1879 Gertrude von Sperling heiratete
und Vater von drei Kindern war, nahm seinen Ruhesitz
in Hannover.
Bei
Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der knapp
67jährige Hindenburg, der nicht zu den Favoriten des
Kriegsherrn Wilhelm II. gehörte, zunächst nicht
reaktiviert. Erst die Krise an der Ostfront, bei der
sich der dortige Oberbefehlshaber Baron von Prittwitz und sein Generalstabschef Graf Waldersee
als zu nervenschwach erwiesen und abgelöst wurden,
führte am
22. August 1914 zur Ernennung Hindenburgs
zum Oberbefehlshaber der 8. Armee. Sein
Generalstabschef wurde Erich Ludendorff, ein
humorlos-arroganter Spitzentechnokrat, in dem
Hindenburg eine wesentliche Ergänzung fand. Mit
Hilfe der von Ludendorff ausgearbeiteten und von
Hindenburg lediglich noch abgesegneten Pläne gelang
der 8. Armee in einer der letzten klassischen „Cannae-Schlachten“
auf historischem Grund beim ostpreußischen
Tannenberg (26. – 30. 8. 1914) ein vernichtener
Schlag gegen die zahlenmäßig überlegenen russischen
Armeen, die Mitte August nach Ostpreußen
eingedrungen waren. Der wenig später zum
Generalfeldmarschall beförderte Hindenburg, nicht
Ludendorff, wurde über Nacht zum populärsten
deutschen General. Nach weiteren militärischen
Erfolgen im Osten wird der „Sieger von Tannenberg“
1916 Chef der Obersten Heeresleitung (OHL), die
unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff den
Kaiser sowie die zivile politische Führung praktisch
entmachtete. Die OHL war hauptverantwortlich für die
politisch fatalen Entscheidungen, den
uneingeschränkten U-Bootskrieg zu eröffnen und
keinen Verständigungsfrieden anzubieten. Hindenburg,
der nach der Niederlage 1918 den Kaiser zum
Rücktritt aufforderte, wurde 1919 offiziell zum
zweiten Mal pensioniert.
1919 war er wider besseren Wissens mitverantwortlich
für die Verbreitung der in den Folgejahren als
schwerwiegende Hypothek die junge Weimarer Republik
belastenden „Dolchstoßlegende“, nach der das im
„Felde unbesiegte Heer“ durch Verräter in der Heimat
(Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten) um den Sieg
gebracht worden war.
Nach dem Tod vom Reichspräsident Ebert ließ sich
Hindenburg vom „Reichsblock“, einem Zusammenschluss
rechter Parteien, zur Kandidatur drängen und gewann
77-jährig die Wahl mit 48 % der Stimmen. Bis 1930
agierte der Monarchist Hindenburg trotz seiner
verfassungsrechtlichen Machtfülle, die ihm durch
Anwendung des Artikels 48 (Notverordnung) der
Reichsverfassung zustand, so
zurückhaltend, dass
zahlreiche seiner Unterstützer aus dem rechten Lager
von ihm abrückten. Möglicherweise hatte diese
Entwicklung mit dazu beigetragen, dass Hindenburg in
der Weltwirtschaftskrise nach dem Bruch der Großen
Koalition 1930 ein antiparlamentarisches System
anstrebte und seit dem 29. März 1930 ohne Rücksicht
auf die Zusammensetzung des Reichstages
Reichsregierungen berief und entließ. Das erste
dieser lediglich formal im Einklang mit der
Verfassung stehenden Präsidialkabinette wurde von
Heinrich Brüning bis zum vom 30. Mai 1932 geleitet.
Am
10. April 1932 wurde Hindenburg zum zweiten Mal
zum Reichspräsidenten (53% der Stimmen) gewählt,
Gegenkandidat
Adolf Hitler erhielt 37% der Stimmen. Am 1.
Juni 1932 berief Hindenburg seinen
Regimentskameraden, den „Herrenreiter“ Franz von
Papen und dessen „Kabinett der Barone“ an die
Regierungsspitze. Am 3. Dezember 1932 folgte die
„Graue Eminenz der Reichswehr“, Kurt von Schleicher,
als Reichskanzler.
Nach den relativen Siegen der
NSDAP, die nie die
absolute Mehrheit der Reichstagsmandate errang, bei
den Reichstagswahlen im Juli und November 1932 sah
Hindenburg nach Ansicht einiger Historiker keine
Möglichkeit mehr, ohne den Reichstag zu regieren,
wenn er nicht einen Bürgerkrieg riskieren wollte.
Der NS-Sieg bei den Landtagswahlen im Kleinstaat
Lippe am
15. Januar 1933 bewegte ihn schließlich zur
Übertragung der Reichskanzlerschaft am 30. Januar
1933 an Hitler. Inwieweit dabei Interessen ihm nahe
stehender Großagrarier und Wirtschaftverbände sowie
Beeinflussungen durch seinen Staatssekretär Meissner
und den „in der Verfassung nicht vorgesehenen Sohn"
Oskar eine Rolle gespielt hatten, ist strittig.
In Folge unterzeichnete Hindenburg auf Druck Hitlers
zahlreiche Dekrete, die die Freiheitsrechte im
Deutschen Reich aufhoben und dem Terror-Regime der
Nazis einen formal korrekten Anstrich geben sollten.
Auch ließ sich Hindenburg von der NS-Propaganda, die
eine Kontinuität zwischen den alten Eliten und
„Neuer Zeit“ konstruieren wollte, weitgehend
widerspruchslos instrumentalisieren.
Am
2. August 1934 starb der faktisch entmachtete
Reichspräsident auf Gut Neudeck an einem
Blasenleiden. Auf Befehl Hitlers wurde er im
düsteren Tannenberg-Denkmal bestattet. 1945 wurde
der Leichnam Hindenburgs nach Marburg umgebettet.