Das Literaturjahr 2003 -

2003 ist das Jahr der kritischen literarischen Auseinandersetzung und intellektuellen Ehrlichkeit in Bezug auf Krisengebiete, Krieg und Armut. In diesem Jahr wurde Saddam Hussein festgenommen, die Nationalbibliothek in Bagdad zerstört, wobei wichtige Dokumente vollständig verloren gingen, und die Weltgesundheitsorganisation stufte in Ostasien die dort ausgebrochene Lungenkrankheit SARS als weltweite Bedrohung ein, was auch später noch zu einer daraus resultierenden Katastrophe führen sollte.
Zu den schönen Ereignissen gehörte die Wiedereröffnung des Bernsteinzimmers in St. Petersburg, das im Katherinenpalast zwanzig Jahre lang aufwendig rekonstruiert wurde, nachdem es nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen galt. Die Besucher kamen in Strömen und bewunderten das kunstvolle Zimmer, in dem selbst die Gemälde aus Bernstein bestanden.

In diesen Zeiten schimmerte das Buch „Drachenläufer“ von Khaled Hosseini wie eine magische Perle mit gleichzeitig kritischem Inhalt. Es erzählt die Geschichte einer Kindheit in Afghanistan und geriet nach dem Erscheinen 2003 gegen alle Erwartung schnell zum Bestseller. Die Jungen Hassan und Amir sind durch eine Freundschaft gebunden und gehen dennoch durch ihre Herkunft ganz verschiedene Wege, wobei Amirs Weg aus Afghanistan hinausführt, wohin er dann jedoch noch einmal zurückkehrt, um den Sohn Hassans zu finden, weil Hassan von den Taliban ermordet wurde. Die Freundschaft der Kinder zerbrach, als Amir die Schändung und Vergewaltigung seines Freundes nicht verhinderte, wodurch er eine Art Antiheld wird und sich seiner Schuld stellen muss. Hosseini arbeitet dabei ganz ohne Stereotypen und Moralhinweise, die der Leser jedoch durch seine zauberhafte und sinnliche Sprache hindurch dennoch leicht erfasst.

Ähnlich kritisch ist das 2003 erschienene Werk „Stromaufwärts“ von Margaret Elphinstone, das sich jedoch mit einer anderen Zeit und Geschichte auseinandersetzte. Hier geht es um den bewaffneten Kampf der Indianer gegen die US-Army und das Leben der Quäker in der britischen Kolonie Oberkanada im 19. Jahrhundert als eine gefahrvolle Reise in die kaum erforschte Wildnis von Nordamerika. Die schottische Schriftstellerin beeindruckte dabei mit geschichtlichen Kenntnissen und einer tragenden Sprache.

Mit dem Tod wiederum setzte sich die autobiografische Erzählung von Uwe Timm auseinander. „Am Beispiel meines Bruders“ verarbeitet Timm die NS-Vergangenheit und Nachkriegszeit. Timms Bruder meldete sich freiwillig zur SS, führte dann ein verbotenes Tagebuch und kam bei einem Kriegseinsatz schließlich um. Über das Tagebuch und verschiedene Briefe rekonstruierte Timm das Ganze und versuchte so Antworten zu finden. Besonders beschäftigte Timm, warum sein Bruder sich freiwillig meldete. Es ist ein Buch über die Frage der Schuld und auch über den Verlust eines Familienmitglieds unter solchen Umständen.

Einer der ersten Autoren, die gleich zweimal den Booker Prize erhielten, war John Maxwell Coetzee, ein südafrikanischer Schriftsteller, dessen Bücher sich intensiv mit den problematischen Bedingungen der Apartheid auseinandersetzen, dabei sowohl fiktive als auch autobiografische Tendenzen aufweisen. Der Auftritt des Schriftstellers als Erzähler erfolgt gleichzeitig als Kunstfigur. Sein wirkliches Leben dagegen belässt Coetzee im Verborgenen. Auch Interviews gibt der Autor nur sehr selten.
Er gilt als Asket, hat niederländische, deutsche und polnische Wurzeln, studierte in Kapstadt und schuf bis dahin Werke wie „Warten auf die Barbaren“, Schande“ oder das großartige Buch über Dostojewski „Der Meister von Petersburg“. Er wuchs auf einer Farm auf, während seine Mutter als Lehrerin arbeitete. Sein Vater war ein Trinker und wäre fast wegen Veruntreuung von Geldern im Gefängnis gelandet, wenn die Familie nicht ausgeholfen hätte. Durch die Apartheid war der Alltag stark belastet. Er erlebte, wie seine Eltern einen schwarzen minderjährigen Jungen für ein paar Cent einstellten. Wer in einer solchen Gesellschaft lebt, so der Schriftsteller, kann der Schuld nicht entgehen. Das alles hat Coetzee geprägt, so dass er sich selbst aus Außenseiter empfand und nach England floh. 2003 konnte er dann die Rolle nicht mehr aufrechterhalten. Er erhielt den Literaturnobelpreis und trat damit noch stärker in das Rampenlicht der Literaturszene.

Kunst als Thema weckt in Romanen immer Interesse, besonders wenn Geschichten dann so schön gelingen wie bei Daniel Kehlmann. Sein Buch „Ich und Kaminski“ erzählt von einer eigenartigen Freundschaft, die nur dadurch entsteht, weil der Erzähler den Künstler Kaminski dabei hilft, seine einstige große Liebe wiederzufinden und ihn kurzerhand mit dem Auto chauffiert, das der Tochter des Malers gehört, die ihren gebrechlichen und kranken Vater natürlich zurückhaben möchte. Der Erzähler hat dabei das ehrgeizige Ziel, eine Biografie über den Maler zu schreiben. Dabei erfährt er dann jedoch durch die Gespräche angeregt eine lebensweisende Umkehrung seiner Wünsche und Ziele.

Der Erfolgsschriftsteller Dan Brown setzte 2003 auf Mystery und Verschwörungstheorien rund um den Da-Vinci-Code. Das Buch hieß „Sakrileg“ und basierte auf einen Roman von 1982 mit dem Titel „Der Heilige Gral und seine Erben“, den mehrere Autoren verfassten, die für ihre Darstellung wiederum gefälschte Dokumente von Pierre Plantard nutzten. Behauptet wird u. a., dass Maria Magdalena mit Jesus eine Tochter gehabt haben soll. Symbolisch wird die These dann durch das Gemälde „Das letzte Abendmahl“ von Da Vinci und durch den heiligen Gral, der auf dem Bild fehlt, untermalt. Das Gefäß enthält das Blut Jesu und der Gral ist Maria Magdalena selbst. Leonardo da Vinci hat der Nachwelt entsprechend einen Code hinterlassen, der die wahre Geschichte erzählt. Browns Thriller wurde in vierundvierzig Sprachen übersetzt und schließlich mit Tom Hanks in der Rolle verfilmt.

Bestseller 2003

Henning Mankell – Die Rückkehr des Tanzlehrers
Judith Hermann – Nichts als Gespenster
Yann Martel – Schiffbruch mit Tiger
John Grisham – Die Schuld
Ildikó von Kürthy – Freizeichen
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